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Der Nationalsekretär von Nautilus, Holger Schatz, ist stolz darauf, was der Gewerkschaftseinsatz für die Besatzungen der Flusskreuzfahrt – im Rahmen einer konzertierten Kampagne – in den vergangenen drei Jahren im boomenden Sektor alles zu bewegen vermochte. Als Teil einer Serie in loser Folge, in der die Geschäftsleitung der Gewerkschaft vorgestellt wird, erläutert er an dieser Stelle seine Arbeit für die Gewerkschaftsmitglieder der Schweizer Sektion.
Holger Schatz trat der Gewerkschaft 2014 bei. Seither erlebte er, dass der Sektor der Flusskreuzfahrt mit einer Geschwindigkeit expandierte, sich dies aber weder bei den Löhnen der Besatzungen noch bei deren Arbeitsbedingungen widerspiegelte. Alleine die Schweizer Branche der Flusskreuzfahrt verfügte 2017 über rund 150 Schiffe, was sie zur mit Abstand grössten Flotte auf den europäischen Flüssen macht. Es gibt schätzungsweise rund 1600 qualifizierte Schiffer sowie gegen die 7000 Angestellte im «Hotel/Restaurant/Catering (Horeca)»-Sektor, welche die Unternehmen der Flusskreuzfahrt beliefern, erklärt er.
In Anbetracht dessen, dass der Sektor auch international expandiert, hat sich die Gewerkschaft mit regionalen und internationalen Transportarbeitergewerkschaften – ETF und ITF – zusammengetan, um aufzuzeigen, wie sehr dieses Wachstum zulasten der Crew geht, sagt Holger Schatz: «Deren Gehälter sind – verglichen etwa mit den Mindestlöhnen in Deutschland – bescheiden», betont er. «Viele Besatzungsmitglieder stehen unter dem Druck, unbezahlte Überzeit zu leisten.»
Die Motive, weshalb viele Firmen ihren Sitz gerade in der Schweiz gründen, seien «offensichtlich», fügt Holger Schatz an. «Die Unternehmenssteuern sind vergleichsweise tief, die Sozialversicherungssätze sind moderat und die Schweizerische Arbeitsgesetzgebung gilt als ziemlich liberal. Zahlreiche Arbeiten in diesem Sektor werden vorwiegend von Angehörigen von Nicht-EU-Staaten ausgeübt.»
2017 intensivierten die Gewerkschaften ihren Bemühungen gegen die zunehmende Praxis einiger Unternehmen, die Sozialversicherungsverträge zu kippen und ihre Angestellten mit zypriotischen oder maltesischen Arbeitsverträgen auszustatten. Das bedeutet deutlich niedrigere Grenzwerte bei Unfallentschädigungen.
Trotz des enormen Bedarfs der Flusskreuzfahrt an nautisch ausgebildeten Besatzungen sind die Gehälter für Schiffsführer – gemessen mit vergleichbaren nautischen Berufsleuten in Westeuropa – oftmals ziemlich tief, sagt Holger Schatz. «Sogar Schiffsführer, von denen man annehmen könnte, dass sie aufgrund des enormen Bedarfs in diesem Sektor höhere Löhne erhalten würden, dürften zum Schluss kommen, dass das Level ihrer Bezahlung häufig nicht angemessen oder schlicht unzureichend ist. Dies insbesondere in Anbetracht ihrer Aufgaben oder den Anforderungen an ihre Tätigkeit.»
Der Mangel an Bestimmungen im europäischen Sektor der Flusskreuzfahrt, der mangelhafte Grad der gewerkschaftlichen Organisation sowie der Mangel an Kontrollen respektive die ungenügende Umsetzung bestehender europäischer und internationaler Bestimmungen – das sind die wesentlichen Gründe für die aktuellen Löhne und Arbeitsbedingungen, sagt Holger Schatz.
«Aber aus der Mitarbeiterperspektive sind Arbeitsstellen auf Schweizer Schiffen mit Schweizer Arbeitsverträgen nach wie vor beliebt. Dies, weil die Schweizer Sozialversicherung ein hohes Mass an Leistungen garantiert, währendem die Versicherungsbeiträge ziemlich moderat ausfallen», erklärt Holger Schatz.
Trotz des enormen Bedarfs der Flusskreuzfahrt an nautisch ausgebildeten Besatzungen sind die Gehälter für Schiffsführer – gemessen mit vergleichbaren nautischen Berufsleuten in Westeuropa – oftmals ziemlich tief Der Nationalsekretär von Nautilus, Holger Schatz
Im Verlaufe der Flusskreuzfahrt-Kampagne hat die Gewerkschaft sowohl Mitglieder als auch Nicht-Mitglieder dazu ermuntert, für ihre Rechte einzustehen und vor Gericht zu gehen, um ihre nicht ausgewiesene respektive unbezahlte Überzeit einzufordern. Das hat bis dato zu sieben erfolgreichen Klagen vor Schweizer Gerichten geführt. Die durch die Medienberichterstattung verstärkte Sensibilisierung der Öffentlichkeit hat die Eigner weiter unter Druck gesetzt, endlich damit zu beginnen, die Bedingungen zu verbessern», fügt Holger Schatz an.
Bevor er Nautilus in Jahre 2014 beigetreten ist, wusste Holger Schatz bereits jahrelang Bescheid über die auf Schweizer Binnenwasserstrassen und für Schiffe unter Schweizer Flagge arbeitenden Gewerkschaftsmitglieder. Dies dank seiner früheren Tätigkeit für die grösste Gewerkschaft der Schweiz, die Unia.
Seine Arbeit für die Unia brachte mit sich, dass er in Kontakt mit Nick Bramley, dem früheren Nationalsekretär der Schweiz, stand, erklärt er. «Damals war ich für die Bauarbeiter verantwortlich und arbeitete auch an Kampagnen und in der Kommunikation. Nick und ich waren zwar in unterschiedlichen Sektoren tätig, aber er hatte mir von den Zukunftsplänen erzählt, dass die Schiffer und Seefahrenden möglicherweise die Unia verlassen. Mit viel Interesse verfolgte ich die Entwicklung bis zum Zustandekommen der Pläne.
Kommt hinzu, dass viele der Fragestellungen ein Verhandlungs- und Organisationsgeschick erfordern, das ich bereits besass, bevor ich Nautilus beigetreten bin.»
Vor einigen Jahren verliess Holger Schatz die Unia, um dank seines Doktors in Soziologie an die Universität zurückzukehren und dort zu dozieren. Als ihm bewusst wurde, dass das nicht sein Ding («zu akademisch») ist, begann er wieder für Gewerkschaften und lokale Organisationen zu arbeiten.
Zudem ist er glücklich, wenn sich sein Verhandlungsgeschick und seine Erkenntnisse aus der Soziologie hinter den Kulissen anwenden lassen, um die nautische Industrie zu unterstützen. Und das oftmals auf eine Art und Weise, die aufgrund der sensiblen Natur der Thematik viel Einsatz «unter dem Radar» erfordert. Teile der Öffentlichkeit nehmen oft erstaunt zur Kenntnis, dass die Schweiz überhaupt über Schiffe unter Schweizer Flagge oder Seefahrende verfüge», sagt Holger Schatz.
Dieses Bewusstsein habe sich auf dramatische Art und Weise geändert, als im September 2018 zwölf Seefahrende zum guten Glück befreit werden konnten. Dies, nachdem sie von einem Frachtschiff vor der Küste von Nigeria entführt worden waren. In dieser Zeit stand Holger Schatz in engem Kontakt mit der Reederei und den Schweizer Behörden und drängte diese, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um das Problem zu lösen.
Die endgültige Freilassung der Besatzung begrüsste er sehr: «Das Unternehmen tat sein Bestes für die entführten Seefahrenden und unterstützte auch die sieben Besatzungsmitglieder, die nicht gekidnappt worden waren», sagte er. «Uns ist bewusst, dass sowohl die nigerianischen als auch die internationalen Behörden ihre Bemühungen verstärken müssen, um die Sicherheit von Seefahrenden auf Schiffen in der Region zu gewährleisten.»
Holger Schatz arbeitet Teilzeit, aber da seine Partnerin vergleichbar arbeitet, ist es ihm möglich, Flexibilität zu zeigen. «Wenn ich stark beschäftigt bin – wie jetzt, wo ich es mit vielen Mitgliedern aus der Flusskreuzfahrt zu tun habe –, dann kann ich mehr Arbeitstage leisten oder mit meiner Partnerin Tage abtauschen. Mir hilft er sehr, über eine wirklich gute Work-Life-Balance zu verfügen und mich auch ausserhalb der Gewerkschaft für weitere politische oder soziale Bewegungen engagieren zu können.»
Überdies verfügt das Büro der Schweizer Sektion jetzt über mehr Personal als zu der Zeit, in welcher Holger zur Gewerkschaft hinzustiess; inklusive einem neuen Gewerkschaftssekretär, Piet Dörflinger, und Alessandra Ramtour. Sie ist für die Buchhaltung und die Administration im Büro Basel verantwortlich und hat auch tagtäglich mit Anfragen von Mitgliedern zu tun.
Gut möglich, dass Holger Schatz zuhause demnächst über mehr «Abtauschtage» verhandeln muss, da Nautilus seine Kampagnenbemühungen auf dem Gebiet der Flusskreuzfahrt intensiviert. Und nicht zuletzt auch, weil die Gewerkschaft verstärkt versucht, ihre Mitgliederzahl in diesem wachsenden Sektor zu erhöhen sowie die Arbeitsbedingungen zu verbessern und Gesamtarbeitsverträge zu sichern.
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